Ein Überraschungsei …

Ein Überraschungsei …

wo ist die sonnenseite
auch die rose ist keine rose ist keine rose mehr

(Helga M. Novak)


Lyrik und Lieder prägen uns stärker und nachhaltiger, als wir wahrhaben wollen.
Manche davon begleiten uns fast täglich durch unser Gefühlslabyrinth, andere tauchen überraschend, doch nicht grundlos auf – je älter wir werden, umso öfter.
Zu den vielen Tönen und Texten, die mich bisher begleitet haben, gehört seit meiner frühesten Jugend auch dieses:

Kleine weiße Friedenstaube, fliege übers Land;
allen Menschen, groß und kleinen, bist du wohlbekannt.
Du sollst fliegen, Friedenstaube, allen sag es hier,
dass nie wieder Krieg wir wollen, Frieden wollen wir.
Fliege übers große Wasser, über Berg und Tal;
bringe allen Menschen Frieden, grüß sie tausendmal.
Und wir wünschen für die Reise Freude und viel Glück;
kleine weiße Friedenstaube, komm recht bald zurück.

Komponiert und getextet im Jahr meiner Geburt 1949 von Erika Schirmer, einer Kindergärtnerin aus Nordhausen, ist es die zwingende Konsequenz aus den Erlebnissen eines Flüchtlingskindes und entstand unter dem Eindruck eines Plakates zum Pariser Weltfriedenskongress im selben Jahr mit einer danach als Friedenstaube weltberühmt gewordenen Zeichnung von Pablo Picasso.
Sollte man diese Worte nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte nicht naiv nennen? Und wenn schon! Vielleicht ist Hoffnung immer naiv – das macht sie aber ehrlicher und glaubwürdiger als jede effektvoll kalkulierte Dystopie.
Nur mit einer gehörigen Portion Naivität kann man Hoffnung überhaupt aufrechterhalten – aber genau das gibt ihr eine ganz besondere Kraft, um sich tief und dauerhaft in den Herzen von Menschen zu verankern.
Und ist es nicht auch das, was uns Weihnachten und Ostern über die Jahrhunderte so wichtig bleiben lassen – unabhängig von jeglicher konfessionellen Ausrichtung?

Bei mir war der „Trigger“, wie man das heute nennt, ein bei der Synchronisation meines neuen Smartphones wie ein deus ex machina auftauchendes Kinderbild der Ausstellung „Tiere und ihr Umfeld“ der Jugendkunstschule „Zachariashof“ aus Bad Langensalza 2009 im Haus Krönbacken: ein keck seine Zähne bleckender weißer Hase. Und dem purzelten dann plötzlich eine Menge bunte Ü-Eier und eine kleine Matrjoschka um die langen Ohren – und kurz war ein leiser Flügelschlag zu hören …

Im Himmel sitzt zur Stunde wohl
Der liebe Gott, so sanft und nett
Im sternbesäten Overall
Vor seinem großen Schalterbrett …

Wir wollen fröhlich tun und spieln
Mit Tönen, Wellen, Stahl und Strahl.
Wenn wir uns dann verzweifelt fühln,
So hilft er uns wohl noch einmal …

(Peter Hammerschlag)