Katastrophenkurs für Kunst im Krönbacken?

Katastrophenkurs für Kunst im Krönbacken?

Titelfoto: 2009: „KUNST +“ Universität Erfurt / Fachbereich Kunst

Es weht der Wind mit Stärke 10,
das Schiff schwankt hin und her!
Am Himmel ist kein Stern zu sehn,
es tobt das wilde Meer …

 

Das ist nicht nur ein berühmt-berüchtigtes Lied von Michael Jary aus dem Jahr 1939, gesungen u. a. von Heinz Rühmann im weniger berühmten Film „Paradies der Junggesellen“ – es ist auch (wieder einmal) der akute Zustand der Thüringer Kulturlandschaft, in der es seit 25 Jahren grummelt und immer mal wieder bebt, vor allem, wenn es – wieder und wieder und wieder und wieder – um die Bretter, die die Welt bedeuten, geht.
Doch von der Rampe herab weiß man sich unüberseh- und -hörbar zu wehren – und hoffentlich mit Erfolg.
Geht es dagegen um Pinselschwinger oder Stiftespitzer im frei(schaffend)en Flug, grummelt es leiser oder gar nicht – hier wird peu-á-peu still ausgeblutet, zumeist über den sukzessiven Schwund der ohnehin schon lächerlich geringen Fördermittel Jahr für Jahr. (Und vorbei die Zeiten einer Künstlerdemo auf dem Domplatz – lang, lang ist’s her … erinnert sich noch jemand?)
Umso wichtiger werden andere Konditionen der Überlebenssicherung für bildende Künstler, deren Ansiedlung und Verbleib und damit wirksame kulturelle Interventionen vor Ort die Hefe im Kulturteig einer Region bilden – Unterstützung durch die Bereitstellung kostengünstiger, weil öffentlich getragener und geförderter Arbeits- und Ausstellungsräume zum Beispiel.
Gerade die Landeshauptstädte sollten da mit leuchtendem Beispiel vorangehen und den Künstlern ihrer Region ein geeignetes Podium bieten, damit die sich erfolgreich in die gesellschaftliche Gemengelage einmischen können.

Seit 1996 bietet der Kulturhof Krönbacken in der Erfurter Michaelisstraße geeignete Möglichkeiten für künstlerische Präsentationen auch größeren Formates, stellte seitdem mit jährlich 12 bis 20 Einzel- und Gruppen-Expositionen ein auch überregional hoch anerkanntes Angebot an jährlich Tausende Besucher dar – Präsentationen der regionalen Kunstvereine und -verbände, der Kunstschulen, Fach- und Hochschulen mit Kunstausbildung, aber auch spannende Personalausstellungen weit über die Grenzen Thüringens hinaus, Ergebnisse internationaler, traditionell seit Jahrzehnten in Erfurt stattfindender Symposien der Email- und Schmuckkunst – Design, Kunsthandwerk, Architektur und alle Genres der bildenden Kunst – Installationen, Feste und Konzerte auf dem Hof: Die Location aus ursprünglich drei Ausstellungsräumen von historischem Ambiente  mit Hofgelände war ein gut besuchter Treffpunkt und Diskussionsraum für Künstler und Kunstinteressierte aus Nah und Fern und quer durch alle Sparten und Generationen – und könnte im kommenden Jahr stolz Jubiläum feiern, wenn – ja, wenn es da nicht nach jahrzehntelangem Mühen ein Kulturkonzept der thüringischen Metropole gäbe – mit einer für Freunde der zeitgenössischen regionalen Kunstszene unfassbaren Idee:
Geschichte verdrängt Gegenwart (die doch Basis für künftige Geschichte ist!); statt zeitgenössischer Künstler sollen in zwei der drei Räume künftig Kaffeetische und Regale einziehen: Das Objekt Waidspeicher soll spätestens ab 2017 umgebaut werden zu einem Museumsshop mit Museumscafé, flankierend zu einer für das Vorderhaus Haus Krönbacken geplanten Informations-Zentrale der Erfurter Geschichtsmuseen. Die letzte Kunstausstellung wird es dort im Jubiläumsjahr 2016 geben, wie die Kulturdirektion dem Verband Bildender Künstler Thüringens bereits mitgeteilt hat.

Das scheint auf den ersten Blick eine interessante Idee zu sein – allerdings kommen dann Fragen auf wie:

  1. Warum richtet man ein solches Zentrum (wenn es denn überhaupt dessen bedarf)  nicht in einem der bereits vorhandenen und zudem  topografisch und verkehrstechnisch für Touristen günstiger gelegenen Museen ein, etwa im Angermuseum oder im Stadtmuseum mit direkt angrenzenden Straßenbahnhaltestellen und Parkhausnähe (Anger 1)?
  2. Haben die (Geschichts-)Museen keinen Platz mehr für eigene, inhaltlich spezifisch ausgestattete Shops mit hauseigenem Fachpersonal und gastronomischer Versorgung?
  3. Was sagt die Denkmalpflege dazu, dass dann die altes Balkenwerk schützende Klimatisierung der alten Speicherräume zugunsten einer kundenfreundlichen Beheizung außer Kraft gesetzt werden muss?
  4. Lohnt zusätzliche Gastronomie mitten in Erfurts „Kneipenmeile“ Michaelisstraße, direkt neben mindestens drei Gaststätten, zum Beispiel gewissermaßen Stuhl an Stuhl mit dem „Goldenen Schwan“?

 

Und last but not least:
Wo können sich dann die sehr agilen und produktiven Thüringer Künstler in der Landeshaupstadt noch angemessen präsentieren – vor allem, da seit ihrer aufwändigen Sanierung die Ausstellungsräume des ebenso traditionsreichen Kulturforums Haus Dacheröden (ein weiteres düsteres Kapitel jüngster Erfurter Kulturgeschichte!!!) mangels Finanzierung versicherungsseitig geforderter sachgerechter Aufsichtskräfte ebenfalls nicht mehr nutzbar sind? Oder ist in der aktuellen Erfurter Kulturpolitik kein Platz mehr für zeitgenössische bildende und angewandte Kunst aus der Region? Private Galerien, die das einigermaßen angemessen kompensieren könnten, gibt in Erfurt es nicht, und Kunsthalle oder Angermuseum verfolgen eindeutig andere Konzepte.
Es tut einfach weh, diese Entwicklung nahezu hilflos verfolgen zu müssen!!!

Solche Fragen versuchte ich bereits 2013 über einen Abgeordneten in die Diskussion zum Kulturkonzept einzubringen, aber wie ich erfuhr, wollte man darüber nicht mehr reden …
Doch zum Denken ist es nie zu spät!
Ich frage Kunstfreunde und Künstler – ich frage den Thüringer Verband Bildender Künstler als Interessenvertreter doch zahlreicher in Thüringen ansässiger Künstler nach berühmtem historischen Vorbild:
WAS TUN???

 

Und wenn die ganze Erde bebt
Und die Welt sich aus den Angeln hebt –
Das kann doch einen Seemann – äh – Künstler nicht erschüttern …

 

Oder vielleicht doch???