Späte Ehre für Bertolt Brecht oder: Der Verfremdungseffekt in der Gartenkunst

Späte Ehre für Bertolt Brecht oder: Der Verfremdungseffekt in der Gartenkunst

Dem Erfinder des sogenannten „epischen Theaters“ mit seinem distanzierenden V(erfremdungs)-Effekt Bertolt Brecht wird nachgesagt, dass er 1955, nach der Grundfarbe für die Bühnenausstattung für sein Stück „Das Leben des Galilei“ gefragt, geantwortet haben soll: „Mir ist jede Farbe recht, Hauptsache, sie ist grau.“

Offenbar haben sich die Gartenkünstler, die an der Nordseite der Krämerbrücke ihr Werk verrichten, in adäquater Verachtung naturalistischer Gestaltungsauffassungen zu einer späten Brecht-Ehrung bemüßigt gefühlt und das ohnehin nicht gerade durch barocke Üppigkeit gekennzeichnete Pflanzenbild innerhalb der drei Betonringe nunmehr durch gleichfarbig betongraue Kiesaufschüttungen noch weiter zurückgedrängt.

Warum eigentlich zeigen sie nun nicht endlich den Mut zur Konsequenz und somit zu einer pflegeleichten flächendeckenden Betonauffüllung aller ehemaligen Pflanzflächen …?

Nannte man das vor rund hundert Jahren in der Kunst nicht die „neue Sachlichkeit“?

Oder was?

Zum Glück kann man sich analoge Überlegungen für die Breitstrominsel inzwischen sparen – hier brauchte man nämlich lediglich – nach Anlage eines sogenannten Schotter-„Rasens“ auf der einen Hälfte – der Natur ihren Lauf zu lassen (z. B. einem – Überraschung! – soooo bösen trockenen Sommer), und das Konzept der Vernichtung dieses zuvor spießig-idyllisch und ziemlich unordentlich wuchernden Grüns ging prachtvoll auf: Spärlich grün gefleckter Kahlschlag umrahmt locker zwei vertrocknete sowie ein (noch!) verhalten grünendes Bäumchen …

Also: Was wollt Ihr noch, Ihr Öko-Spinner – das ist die Zukunft! Moderne Zeiten eben.

Grau – kantig (oder wahlweise auch rundgelutscht) – stapelbar.

Da bleibt wohl nur, mit Bertolt Brecht zu rufen:

„GLOTZT NICHT SO ROMANTISCH!“