Text – Textur – Textil

Wie eine Zeichnung (oder auch ein Text) mit einem, dem ersten Strich beginnen und letztlich doch nur aus Linien bestehen, ist Beginn eines Gewebes, Gestricks oder Gewirks der Faden, aus denen diese textilen Gebilde von kundigen Händen (oder kundig erfundenen und bedienten Maschinen) auf unterschiedliche Weise gefügt wurden.

 

Glatte oder rauhe und bucklige, wulstige, stumpfe und matte oder glänzende, schimmernde, funkelnde, dicke oder dünne Fäden, im Ausdruck den Linien verwandt, verflechten, verschlingen, verknüpfen sich auf vielfältige Weise zu den fantasievollsten Texturen, aus denen seit Jahrtausenden jene zauberhaften plastischen Flächengebilde entstehen, die wir Textilien nennen.

 

Um Textiles mit Genuss sinnlich zu erleben, sollte man daher beim Faden beginnen, seinem Wesen, seiner Seele nachspüren, die vom Charakter des Ausgangsmaterials – Wolle, Seide, Leinen & Co. – ebenso geformt wird wie von der Art seiner Entstehung, etwa der Art des Spinnens und Zwirnen, des Glättens oder Bauschens, Dehnens oder Stauchens, Tauchens und Tränkens in Farben und anderen diversen Flüssigkeiten usw. – also der sogenannten Oberflächenveredlung. Das ist eine harte Schule von Wollbüschel, Raupe und Flachshalm bis zum fertigen Faden – aber da muss er eben durch.

 

Und so erweist sich dann der einzelne Faden im textilen Gesamtgefüge wie die Linie in der Zeichnung gewissermaßen als staatstragend: So wie er gleitet, fließt, springt, hüpft uns auch das Gewebe, Gewirk, Gestrick oder mannigfach andere, aus dem Über- und Unter- und Umeinanderlegen von Fäden hervorgegangene Fadengebilde durch die neugierigen Finger. Zeichnungen können daher versuchen, diesem sinnlichen Erlebnis nachzuspüren und es beim sensiblen Betrachter wieder oder neu zu erwecken.

 

Das Grafiktablett bietet allein schon durch die unglaublichen Verwandlungsmöglichkeiten von Strichform, -führung, -dichte und -auftrag ein unübersehbar weites Feld, eben das mit Lust zu erproben. Das gibt ein herrliches Drunter und drüber die kreuz und die quere und auch noch schräg rüber und zurück und derb und zart und weich und hart und ein Wehen und Gehen und Stehen und ab durch die Mitte querfeldein …!

 

Bin gerade mitten dabei – und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Mehr wird nicht verraten …

Was aber diesen Text betrifft: „Schnipp-Schnapp-Schnurre–Baselurre! Aus ist das Lied.“

(Also sprach Hans-Christian Andersen in seinem lehrreichen und nachlesenswerten Märchen vom Flachs.)

 

LINDA